Qualitätssicherung von Genussmittel-Cannabis – GMP oder doch was anderes?

Liebe Hanffreunde, die ihr im Moment voller Erwartungen dem Legalisierungs-Geschehen eure ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt. 

Bald wird Cannabis in Deutschland auch als Genussmittel reguliert, und dabei steht natürlich nach wie vor ein unentschlossener Elefant im Raum: GMP ja oder nein, oder auch die große Frage nach der Qualitäts-Sicherung von Genussmittel-Cannabis.

Bald soll jeder und jede Deutsche, über einem gewissen Mindestalter, Cannabis-Blüten kaufen und konsumieren dürfen. Die Verantwortung der Gesetzgeber ist deshalb neben der Regulierung des anbietenden Marktes auch der Schutz der nachfragenden Konsumenten.

Die Beantwortung der Qualitätssicherungs-Frage war in den bisher stattfindenden Legalisierungs-Debatten im Vergleich zu anderen Themenkomplexen jedoch bei weitem nicht die meist besprochene Frage: 

Es ging vor allem um die Art und Weise der qualifizierten Abgabestellen, den umstrittenen Eigenanbau, die Beratung, jetzt wieder THC-Höchstgrenzen und ganz prominent der Dauerbrenner Vereinbarkeit mit internationalen Verträgen. 

Zwar behandeln im Moment einige Fragen der Debatte die Qualität von Cannabis-Produkten, zum Beispiel die der Produkt-Spezifikationen, (bspw. eine THC-Höchstgrenze) – über die Sicherung dieser Qualität im Produktions-Alltag wird hingegen kaum bis gar nicht gesprochen.

Dabei ist die Art und Weise sowie der Umfang der Qualitätssicherung von Cannabis zu Genusswecken einer der elementaren Entscheider, wie groß eine Produktions-Anlage mindestens sein muss, um wirtschaftlich bestehen zu können. Das gleiche gilt, je nach konkreter Formulierung des Gesetzes natürlich mehr oder weniger, auch für die Abgabestellen und Zwischenhändler.

Denn abhängig davon, wie viele Arbeitsstunden diese Unternehmen in die Sicherung ihrer Qualität stecken müssen, leitet sich ab, wie viel Umsatz eine Produktions-Firma monatlich machen muss, um die dafür qualifizierten Mitarbeiter oder externen Dienstleister für die Erledigung Qualitätssichernder Aufgaben zu bezahlen. 


Rechenbeispiel: Gefährdet Qualitäts-Sicherung die Entstehung eines durch Vielfalt und Inklusion geprägten Cannabis-Marktes?

Lass mich fix ein Beispiel kreieren, um aufzuzeigen, welchen Stellenwert die Art und Weise der Qualitätssicherung bei der Gestaltung des deutschen Genussmittel-Cannabis-Marktes einnehmen wird: Denn sie wird maßgeblich bestimmen, wie bunt und vielfältig der Markt am Ende aussieht. 

  • Mal angenommen, ein einzelner Gärtner erzeugt pro Monat 3kg getrocknete Blüten als small batch grower. Sagen wir, es sind 3kg aus 3 verschiedenen Strains – also drei verschiedene Chargen. Er kann jede seiner Chargen für 3.000€ das kg verkaufen (evtl. auch mehr, aber nach dem Steuermodell von Justus Haucap wird das schwierig).
    • Nehmen wir an, dass die Freigabe einer Charge nach GMP und dem DAB um die 1‘500€ alleine für die Labortests kostet, wären das mindestens 4‘500€ Qualitätssicherungskosten pro Monat für die Freigabe der drei Chargen des small batch growers.
    • Diese monatlichen 4.500 € Test-Kosten für drei Chargen stehen einem Monats-Umsatz von 9.000 Euro aus diesen drei Chargen gegenüber, was natürlich DEUTLICH mehr ins Gewicht fällt, als wenn aus einem Gewächshaus 40kg-Chargen für (nur) 800€ das kg verkauft werden.
    • Denn: Im Fall unserer edlen craft-grower-one-man-army mit teurem Verkaufspreis hätten die Qualitäts-Sicherungskosten unserem Beispiel folgend einen Anteil von 50% !, im zweiten Fall des Discounter-Produktes aus dem Gewächshaus beliefen sie sich auf nicht einmal 5%!
    • Damit wäre der Anteil der Qualitätssicherungskosten gemessen am Umsatz beim günstigen, in Massen produzierten Gewächshaus-Produkt zehn Mal geringer als beim small-batch craft-grower!

Ich habe diese Rechnung vorne angestellt, um eine Idee zu geben, wie stark Qualitätssicherungskosten auf die laufenden Kosten eines Unternehmens drücken können. Und zwar fallen sie bei hoher Sortenvielfalt und kleinen Chargen existenziell stark ins Gewicht und bei mutmaßlich lieblos hergestellten Massenprodukten fast bis gar nicht. 

Die Betonung liegt auf können, denn noch wissen wir ja zum Glück nicht genau, wie Chargen für den Genussmittel-Markt freigegeben werden müssen. Wir wissen noch nicht einmal die Spezifikationen des Endproduktes. Doch vielleicht ist jetzt ein guter Zeitpunkt gekommen, die Qualitätssicherungs-Frage einmal ein wenig zu erörtern.

Die bestehenden Qualitäts-Sicherungs-Standards für medizinisches Cannabis im Fokus

Seit 2017 ist medizinisches Cannabis in Deutschland verfügbar. Die qualitätsbestimmenden Spezifikationen, für medizinisches Cannabis finden sich für Deutschland im Deutschen Arzneimittelbuch. Darin sind beispielsweise die Schwellenwerte für Schwermetalle, Mykotoxine oder Pestizid-Rückstände festgelegt. 

Der Standard für Qualitätssicherungssysteme in der medizinischen Cannabis-Produktion und -Distribution werden durch die GxP-Guidelines vorgegeben, worunter auch GMP, GDP und GACP fallen.

GMP, good manufacturing practices, ist dabei der Standard für alle Herstellungsprozesse und enthält als Kapitel bzw. Anhang auch den GACP Standard, good agricultural and collection practices, welche die Rahmenbedingungen und Qualitätssicherungs-Anforderungen für den Heilpflanzen-Anbau regeln. 

Wichtiges Detail: Kein End-Produkt erreicht den Patienten am Ende der Wertschöpfungskette ohne GMP-Standard und keine Pflanze im deutschen Medizinal-Cannabis-System wird nicht unter GACP-Bedingungen hergestellt. 

Keine Produkt-Freigabe ohne GMP

Die finale Chargenfreigabe wird unter dem GMP-Rahmenwerk abgeschlossen, als Regel gilt, dass nach dem letzten Arbeitsschritt unter GACP weitere Schritte bis zur Chargenfreigabe unter GMP stattfinden. Denn GACP als Qualitäts-Standard ist per Definition gar nicht darauf ausgelegt, Produkte final freizugeben. Im GACP-Rahmenwerk heißt es dazu übrigens konkret: 

In order to ensure appropriate and consistent quality of medicinal plant/herbal substances it is necessary to establish good agricultural and collection practice for herbal starting materials (GACP). The concept of Good Manufacturing Practice (GMP) for the manufacture, processing, packaging and storage of Active Pharmaceutical Ingredients (APIs) also applies to medicinal plants/herbal substances.  

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Deshalb ist es in meinen Augen nicht zielführend, die Frage nach dem entweder GACP ODER GMP zu stellen. Denn wer GACP fordert, muss ab einer bestimmten Stelle im Produktions-Prozess unweigerlich auch den GMP-Weg bestreiten, um Produkt-Chargen marktfähig freizugeben – oder im Rahmen des Genussmittel-Marktes eigene Gesetze oder Rahmenwerke auf den Weg bringen, unter denen die Produkt-Freigabe und Validierung aufgestellter Spezifikationen stattfindet.

Dass GACP nicht ohne GMP geht, wird dem entsprechend auch in der momentanen Medizinischen Cannabis Praxis deutlich: Bei Anbietern von Medizinal-Cannabis-Blüten als Endprodukt werden Arbeitsschritte wie Trimmung, Sortierung und Verpackung, und seit der neuesten Bekanntgabe des BfArM auch die Trocknung, unter GMP durchgeführt. 

Bei der Verwendung von Cannabis-Blüten zur weiteren Extraktion hingegen können Prozesse wie Trocknung und Zerkleinerung der Blüten und die Verpackung als Rohstoff rein unter GACP stattfinden, solange der Verkauf des GACP-Materials vertraglich mit einem pharmazeutischen GMP Abnehmer geregelt ist, welcher die Weiterverarbeitung unter GMP durchführt, in dem Fall unseres Beispiels mindestens den Schritt der Extraktion.

Kann Cannabis allein durch GACP reguliert werden?

Viele Befürworter eines bunten Marktes mit small batches, kleinen Produzenten und vielen Genetiken wünschen sich im Moment, Genussmittel-Cannabis rein unter GACP zu regulieren. 

Ein paar Gründe dafür, dass dies eigentlich so nicht möglich ist, haben wir bereits aufgezählt. Doch es geht noch weiter: Die Einhaltung des GACP-Standards lässt sich in Deutschland nicht durch eine staatliche Stelle zertifizieren. Wie können so Verantwortlichkeiten geregelt werden?

Die Prüfung auf Güte und Konsistenz der Ausführung eines Qualitäts-Sicherungssystems nach GACP obliegt der Verantwortung des einkaufenden GMP-Betriebes. Denn der GMP-Betrieb muss im Rahmen seiner Sorgfaltspflichten, auf die er wiederum von einer staatlichen Stelle geprüft und zertifiziert wird, seine GACP-Zulieferer prüfen. 

Angenommen, Cannabis-Betriebe würden rein nach dem GACP-Standard produzieren – welche Institution in Deutschland sollte sie dafür prüfen und zertifizieren, wenn der Betrieb selbst Produkte herstellen möchte, die er marktfertig verkaufen möchte? 

Es wird deutlich, dass GACP als Rahmenwerk zur Regulierung der gesamten Wertschöpfungskette eines Cannabis-Marktes nicht ausreicht. So zum Beispiel ist auch das laufenden Schweizer Pilot-Projekt, soweit es geht, nach GACP reguliert, die finalen Freigabeschritte und Grenzwerte für Cannabis-Produkte werden von der Schweiz jedoch explizit zusätzlich im Gesetzestext spezifiziert. In Artikel 9 und 10 der Verordnung über Pilotversuche nach dem Betäubungsmittelgesetz (BetmPV) werden sowohl Produkt-Spezifikationen, als auch nötige Freigabetests definiert. Die Probenahme ist nach den Vorgaben der Europäischen Pharmakopoe definiert, die Grenzwerte für Schwermetalle, Mykotoxine und andere Schadstoffe sind im Anhang des Gesetzes zu finden. Der THC-Wert für Cannabis-Produkte des Pilotprojekts ist auf 20% limitiert. 

Diese zusätzlichen Regelungen sind nötig, weil der GACP-Standard eben vor allem die Regeln an die Anbau-Bedingungen von Heilpflanzen definiert. Während es bei der Produktion von Arzneimitteln viele messbare Größen im Rahmen von Teil-Prozessen gibt, welche durch In-Prozess-Kontrollen dokumentiert und validiert werden können, sehen die Arzneimittelbehörden ein, dass der Anbau von Pflanzen, vor allem outdoor, im Vergleich deutlich mehr unkontrollierbaren Einflussgrößen unterliegt. 

GACP wurde geschaffen, um dem unvorhersehbaren Pflanzenwachstum gerecht zu werden

Denn während die Herstellung von Impfstoffen oder Tabletten in Reinräumen unter immer gleichen Klimabedingungen stattfinden kann und sich das Einfüllen eines Reagenzglases auf den Milliliter genau kontrollieren lässt, ist das Wachstum von Pflanzen deutlich unberechenbarer. Deshalb wurde von den Arzneimittelbehörden der GACP-Standard geschaffen, um auf die Unvorhersehbarkeit im Wachstum von Heilpflanzen Rücksicht zu nehmen. 

Die wichtigsten Aspekte, die GACP an ein Qualitäts-Sicherungs-System definiert, sind folgende: 

  • Schulung der Mitarbeiter
  • Verantwortungsbewusster Einsatz von Chemikalien
  • Dokumentieren eingesetzter Chemikalien und ausgeführter Arbeitsschritte
  • Definition von Standard-Arbeits-Anweisungen
  • Reinigungs- und Hygiene-Konzepte
  • Unversehrtheit der Mitarbeiter
  • Regelmäßige Wartung der eingesetzten Geräte
  • Kalibrierung von Düngecomputern und Geräten zur Applikation von Pflanzenschutzmitteln
  • Verhinderung von Kreuzkontamination
  • Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit in eine Chargen-Produktion eingeflossener Ausgangsstoffe und Zusätze sowie die weitere Verwendung einer Charge
  • Charchierungsregeln
  • Dokumentation von Käufer-Spezifikationen
  • Beschreibung der Produktions-Stätten und deren geografische Verortung
  • Qualität des verwendeten Gießwassers
  • Aufbewahrungs-Frist von Dokumenten
  • Eliminierung von Risiken

Das sind schon mal eine ganze Menge relevanter Punkte, über die sich ein Anbau-Betrieb nach GACP Gedanken machen und entsprechende Prozesse formulieren, ablegen und implementieren muss, um die Einhaltung dieser Rahmenpunkte zu gewährleisten.

GMP geht jedoch noch ein wenig weiter, und zwar in den Punkten: 

  • Testen und Validieren der Artikel-Spezifikationen mit anschließender Chargen-Freigabe
  • In-Prozess-Kontrollen 
  • Abweichungs-Management
  • Benennung verantwortlicher Personen für die Qualitäts-Sicherung und Qualitäts-Kontrolle
  • Konstante Einhaltung von Umwelt-Parametern
  • Anfertigung einer umfangreichen Risiko-Analyse für Prozesse und eingesetzte Maschinen
  • Rückruf-Prozesse
  • Benennung einer Verantwortlichen Person, welche über ein abgeschlossenes Hochschulstudium und mindestens vier Jahre theoretische und praktische Erfahrung im pharmazeutischen, medizinischen, chemischen oder biologischen Fachbereich verfügen.

Während die GACP-Richtlinie also schon sehr viele Punkte abbildet, geht die GMP-Richtlinie noch ein Stück weiter. Die zusätzlichen Punkte mögen sich nach nicht viel anhören, jedoch hat es die Erfüllung jeden einzelnen Punktes in sich. Und zwar in Arbeitsstunden und Kosten gerechnet. Allein die Kalibrierung aller eingesetzten Messgeräte zum Validieren der Prozess-Parameter ist sehr aufwändig, ganz zu schweigen von der Dokumentation und korrekten Ablage aller Freigabeergebnisse. 

Limitierung der Anwendung des GMP-Standards auf Genussmittel

Doch da GMP als Teil des pharmazeutischen Qualitäts-Universums vor allem darauf ausgelegt ist, eindeutige Produkt-Spezifikationen Charge für Charge zu validieren, gibt es für den Cannabis-Genussmittel-Markt deutlichen Spielraum. Denn bei verschriebenen Medikamenten ist es natürlich für sowohl den Arzt, als auch den Patienten wichtig, dass die einmal für wirkungsvoll befundenen Inhalts-Stoff-Gehalte eines Arzneimittels über den gesamten Zeitraum der Therapie gleich sind, Charge für Charge. 

Im Genussmittel-Bereich geht es in der Qualitäts-Sicherung jedoch vor allem um Gesundheits-Schutz, also die Bewahrung vor Krankheiten und nicht deren Behandlung. Nehmen wir zum Beispiel alkoholische Getränke: Es gibt gewisse Grenzwerte für Fuselstoffe oder Schwermetalle, die für alle Produkte der Kategorie gleich oder ähnlich sind, der Konsument kann sich jedoch trotzdem ohne Beeinträchtigung der gewünschten Wirkung aussuchen, welchen Alkohol-Gehalt sein alkoholisches Getränk haben soll. Mag der Konsument oder die Konsumentin einen geringen Rausch bei hohem Volumen, greift er zum Bier. Ist ein hohes Rausch-Potential bei geringem Volumen präferiert, wird zum Schnaps gegriffen. Beide Varianten können zu einem ähnlichen bis gleichen Rausch führen. Wichtig im Sinne des Verbraucherschutzes ist dabei lediglich, dass der Alkohol-Gehalt auf dem Produkt angegeben ist und alle lebensrechtlichen Standards eingehalten werden. 

Auch bei Cannabis als Genussmittel kann ich mir vorstellen, dass diese Regelung zur Anwendung kommen kann. Und zwar wahlweise chargenweise. Die Einhaltung von Schwermetall-Grenzwerten, Pilzsporen und anderen schadhaften Fremdstoffen sollte natürlich höchste Priorität haben, denn schließlich werden viele Cannabis-Produkte inhaliert – werden unserem Kreislauf also in einem unserer sensibelsten Organe zugeführt, der Lunge. 

Keine Notwendigkeit konstanter THC-Werte von Charge zu Charge

Der THC-Wert und Konzentration anderer gewünschter Inhaltsstoffe kann hingegen schwanken, ohne die Gesundheit des Konsumenten zu beeinträchtigen. Eine klare Beratung dazu vorausgesetzt, kann der Konsument schließlich mit Blick auf den THC-Wert ziemlich genau abschätzen, ob er jetzt einen dicken Joint rauchen sollte oder aber ein kleiner Bong-Hut auch schon reicht, um den angestrebten Rausch-Zustand zu erreichen. 

Um diesen Grad des Verbraucher-Schutzes einzuhalten, muss der Produzent von Cannabis-Blüten für den Genussmittel-Markt meiner Ansicht nach NICHT Charge für Charge konstant gleiche Wirkstoff-Werte abliefern. Es sollte im Genussmittel-Bereich meiner Ansicht nach auch kein Problem sein dürfen, als Produzent die angebauten Sorten oft zu wechseln oder mehrere Sorten auf einmal anzubauen. 

Denn das Risiko der Aufnahme von Schwermetallen, Mykotoxinen oder mikrobiell belastenden Stoffen unterscheidet sich, gleiche Anbauweise vorausgesetzt, von Sorte zu Sorte nur marginal und kann vor allem durch Kontrolle und sorgfältige Auswahl der Ausgangs-Stoffe wie Dünger und Substrat schon weitgehend minimiert werden. Dafür benötigt es meiner Ansicht nach deshalb keine einzelnen Tests jeder einzelnen Charge, wenn mehrere Chargen unter den gleichen Bedingungen unter Anwendung der gleichen Ausgangs-Stoffe kultiviert und verarbeitet wurden. 

Risikobasierte Qualitäts-Kontrolle

Im Idealfall werden die ersten beiden Chargen, welche unter einer bestimmten Anbaumethode unter Einsatz spezifizierter Ausgangs-Stoffe hergestellt wurden, initial auf die riskanten Stoffe getestet und alle folgenden Chargen müssen dann nicht mehr auf diese Grenzwerte getestet werden, da sich das System als sicher erwiesen hat. Eventuell müsste man nach einem gewissen Zeitraum wieder auf Schwermetalle und Co. testen, um die Sicherheit des Systems erneut zu bestätigen, ähnlich wie beim TÜV. 

Wo meiner Einschätzung nach jedoch kein Weg vorbei führen sollte, sind chargenbasierte Tests des THC-Wertes und anderer Cannabinoide, welche einen Rausch herbeiführen können. Denn der Verlauf des Anbaus einer Pflanzen-Charge ist nicht vorhersehbar, was ja einer der Hauptgründe für die Schaffung des GACP-Standards war. Zum Schutz des Verbrauchers ist es deshalb essentiell, jede einzelne Charge auf THC-Werte und Co zu testen. Und mit Gemmacert und anderen erschwinglichen Test-Instrumenten dieser Werte gibt es ja bereits ISO 17025 zertifizierte Geräte, mit welchen man diese Messwerte kosteneffizient ausmessen kann. 

Außerdem bin ich überzeugt, dass jeder verpflichtende Test für Cannabis als Genussmittel die Test-Industrie soweit beflügelt, dass sich durch den markttechnischen Wettbewerb aus Angebot und Nachfrage Analyse-Tests zu erschwinglichen Preisen entwickeln werden. 

Keine GMP-Chargenfreigaben: Drastische Senkung der Qualitäts-Sicherungs-Kosten für kleine Unternehmen

Wie teuer die Qualitäts-Sicherung für die Produzenten am Ende im täglichen Produktionsalltag wird, ist also maßgeblich abhängig davon, welche Parameter wie oft getestet werden müssen. Wenn lediglich der Anteil bestimmter Cannabinoide chargenbezogen getestet werden muss, sieht die Rechnung für unsere one-man-army aus dem ersten Beispiel nämlich schon viel besser aus: 

Angenommen der Craft Grower beschafft sich ein Gemmacert Analyse-Gerät für 5.000 €, abgeschrieben auf drei Jahre, kostet ihn das Messgerät pro Jahr etwa 1.700 €, wobei es nach drei Jahren abbezahlt ist. Die Testung einer Charge mit einem solchen in-house-Test würde dann nur noch etwa 50€ kosten, wenn wir nach wie vor davon ausgehen, dass pro Monat drei Chargen hergestellt werden. Der Anteil der Testung gemessen am Umsatz wäre dann nur noch etwa 1,6% statt 50% aus dem ersten Beispiel! 

Natürlich kommen zusätzlich noch die Kosten für das initiale Testen auf Schwermetalle und Mykotoxine hinzu, um das Anbausystem als risikoarm zu validieren, aber das ist doch schon mal eine DEUTLICHE Senkung der bremsenden Qualitäts-Sicherungskosten. 

GMP für Genussmittel Cannabis – ja oder nein? Die Mischung macht’s.

Eine der großen Fragen dieses Beitrages ist natürlich nach wie vor, ob GMP ja oder nein. Ich denke, wenn nicht jede Charge auf alle möglichen riskanten Fremdstoffe getestet werden muss, sondern ein Anbausystem lediglich validiert werden soll, braucht es zwar kein GMP, jedoch nach wie vor viele Elemente von GMP. 

Denn irgendwo muss ja festgehalten werden, welche Maßnahmen unternommen werden, um die Konsistenz eines einmalig validierten Prozesses auf Zeit zu gewährleisten. Dies kann lediglich sichergestellt werden, wenn die standardmäßige Ausführung von Prozessen irgendwo definiert ist. 

Zur Vermeidung von E-Koli im Endprodukt sollte beispielsweise irgendwo festgehalten werden, dass sich Mitarbeiter nach dem Klogang die Hände waschen. Auch die Verwendung der kontaminationsarmen Dünger und Substrate sollte festgehalten werden sowie die Regeln für die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln. Da auch Ernte-Werkzeuge oder Trimmer die Cannabis-Produkte mit Schwermetallen kontaminieren können, sollte auch die standardmäßige Verwendung dieser Geräte in den Dokumenten des Produzenten festgehalten sein. 

Andere Produktions-Bedingungen, deren Werte beim finalen Testen ermittelt werden, sollten jedoch nicht verpflichtend im Qualitäts-System des Unternehmens festgehalten werden müssen, wozu ich zum Beispiel das Testen des Feuchtigkeitsgehalts nach dem Trocknen zählen würde. Der Feuchtigkeitsgehalt des Endproduktes kann schließlich bei der finalen Freigabekontrolle direkt mitgemessen werden, zum Beispiel unter Einsatz eines Gemmacert-Messgerätes.  

GMP und GACP sind keine Bestrafung

Viele sehen die Arbeit nach den Rahmenwerken GMP oder GACP wie eine Art Bestrafung, aber neben aller regulatorischen Notwendigkeit hilft die Auseinandersetzung mit diesen Themen natürlich ungemein, ein erfolgreiches und nachhaltiges Unternehmen zu führen. Stell dir zum Beispiel mal vor, der Produktions-Leiter hat einen Autounfall und fällt unvorhergesehen für ein paar Tage bis Monate aus. 

Jedem Unternehmen würde es in einem solchen Fall stark helfen, die Details der Ausführung gewisser Arbeits-Schritte in schriftlicher Form wiederzufinden. Denn nur so gelingt es, die Qualität, für die ein Unternehmen bei den Abnehmern bekannt ist, auch in solch einem Ausnahmefall zu gewährleisten. Wenn das auch ohne gelingt, sollte man evtl die Notwendigkeit der Position des Produktions-Leiters in Frage stellen und auf flache Hierarchien zurückzugreifen 😉

Auch ist es hilfreich, gewisse Notfall-Maßnahmen in Standard-Prozess-Anweisungen festzuhalten. Dazu zählt beispielsweise das Verhalten im Brandfall oder eine Richtlinie für den Umgang mit Chemikalien. Denn der Anbau von Pflanzen kommt nicht ohne gesundheitliche Risiken, was jeder bestätigen kann, der schon einmal mit pH-Minus in Berührung gekommen ist. Und man will sich und seine Mitarbeiter definitiv nicht den Gefahren einer Hautverätzung aussetzen. 

Qualitäts-Sicherungs-Systeme als Basis der Kundenbindung und Verhinderung von Shitstorms

Nicht zuletzt helfen Qualitäts-Sicherungs-Systeme bei der Verhinderung von Shitstorms und Vermeidung unzufriedener Kunden. Unter solchen Umständen kann die Beständigkeit eines Unternehmens nachhaltig geschädigt werden und im schlimmsten Fall seiner Existenz-Grundlage beraubt werden. Chargen also bestmöglich auf Einhaltung der eigenen Qualitäts-Ansprüche vor dem Versand zu kontrollieren, sollte meiner Meinung nach ein absoluter no-brainer sein. Und je mehr man die eigenen Prozesse standardisiert hat, desto weniger muss am Ende Charge für Charge getestet werden und desto geringer ist am Ende der Anteil fehlerhaften Chargen, welche zwar Strom und Dünger konsumiert, aber der Firma keinen Verkaufserlös eingebracht haben.

Im GMP-Umfeld wird dies auch „Qualität nach Design“ genannt. Das bedeutet, dass Prozesse und Anlagen so gestaltet sind, dass Kontamination und Qualitätsbeeinträchtigungen von vornherein minimiert oder sogar ausgeschlossen werden. 

Regelmäßige Kalibrierung von Mess-Sonden in der Bewässerungs-Technik wäre zum Beispiel ein Punkt der GACP-Richtlinie, dessen Einhaltung dem Produzenten von Cannabis-Blüten ungemein dabei hilft, die Produktions-Bedingungen soweit im Griff zu haben, dass, im Zweifel unerkannte, Überdüngungen oder pH-Schwankungen gar nicht erst eintreten. 

Genauso verhält es sich mit klar definierten Reinigungs-Richtlinien, welche dabei helfen, möglichen Kontaminationen den Nährboden zu nehmen.

Ein letzter Punkt von GMP, den ich für den Cannabis Genussmittel-Markt für absolut relevant halte, ist das Vorhalten klar definierter Rückruf-Prozesse. Denn sollte sich herausstellen, dass eine freigegebene Charge durch Dritte für unzulässig getestet wurde, so muss es ein System geben, um jeden Empfänger dieser Charge informieren zu können, dass der Konsum dieser Charge allenfalls gesundheitliche Risiken mit sich zieht. 

Abgrenzung zu GMP – Keine Lösung für den Cannabis-Genussmittel-Markt

Da es für Cannabis als Genussmittel meiner Einschätzung nach nicht darum gehen sollte, als Unternehmen Produkte mit engen Spezifikationen anzumelden, wie es im Arzneimittel-Bereich zur Sicherstellung des Therapie-Erfolgs der Fall ist, wird der GMP-Standard wohl nicht geeignet sein, um den Anforderungen des Genuss-Mittel-Marktes abzudecken. Denn der Genussmittel-Markt sollte durch Weglassen starrer Produkt-Anmeldungen genetische und unternehmerische Vielfalt zulassen dürfen. 

Jedoch finde ich, dass viele Aspekte aus dem GMP und GACP-Bereich auch bei der Qualitäts-Sicherung von Genussmittel-Cannabis sinnvoll Anwendung finden können. Denn Cannabis-Blüten werden mehrheitlich inhaliert und die Lunge ist ein sehr sensibles Organ, welches nachträglich geschädigt werden kann und deshalb besonders schutzbedürftig ist.

Ich finde, hier gibt uns die Schweiz ein sehr gutes Vorbild, indem für ihr Pilotprojekt GACP für den Anbau spezifiziert ist und die Anforderungen an alle weiteren Schritte der Wertschöpfungs-Kette bis zum freigegeben Produkt, die sonst unter GMP geregelt wären, im Gesetzestext klar definiert sind. Auch die Produkt-Spezifikationen mit all ihren Grenzwerten sind für das Schweizer Pilotprojekt fest im BetmPV verankert, lassen jedoch mit erlaubten +- 15% Abweichung von den auf der Verpackung angegebenen Wirkstoffwerten viel Spielraum bei der Chargenfreigabe verarbeiteter Produkte. Unverarbeitete Produkte dürfen sogar +-25% vom angegebenen Wert abweichen.

Die Regelung der Schweiz lässt noch einen weiteren, für einen bunten, vielfältigen Markt wichtigen Punkt erkennen: Durch den Mix aus GACP und Gesetz, fällt für Produzenten die Benennung der Verantwortlichen Person (in der Schweiz „fachtechnisch verantwortlichen Person“) weg – freie Bahn für Produzenten ohne komplizierten Hochschulabschluss!

Die deutsche Regierung zwischen den Fronten

Ich möchte nicht in der Rolle der Regierungs-Parteien stecken, welche momentan den Spagat zwischen einfachem Marktzugang für Produzenten auf der einen und erfolgreichem Verbraucherschutz auf der anderen Seite ausführen müssen. Man wird es definitiv nicht allen Recht machen können. Aber das letzte was wir alle wollen, ist eine Umkehr der Legalisierung, weil sich herausstellt, dass viele Konsumenten mit Lungenembolie ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten oder sie eine höhere Schwermetall-Belastung als nach der letzten Sushi-Session mit nach Hause genommen haben. 

Dieser Punkt ist sicherlich einer der Beweggründe für die teilweise ablehnende Haltung der Politiker zum Eigenanbau. Aber auch da würde ich ähnlich wie beim professionellen Anbau ansetzen, mit dem Unterschied, die Qualitäts-Sicherung nicht verpflichtend zu machen. Im Endeffekt trägt der Eigenanbauer ja im Idealfall lediglich die Verantwortung für seine eigene Gesundheit und Selbstschädigung ist in Deutschland ja bekanntermaßen nicht illegal. 

Für Patienten, welche die hohen Anforderungen an ein Cannabis-Rezept nicht erfüllen und sensible Körper von rein freizeitlichen Cannabis-Genießern, welche ihr Cannabis selbst anbauen, sollte es deshalb Möglichkeiten der Testung des Eigenanbaus geben. Sei es in speziellen Test-Zentren, an welche man per Post (mit entsprechender Kennzeichnung) seine Proben senden kann oder das Testen in Apotheken, möchte ich an der Stelle komplett offen lassen. Auch, ob die Kosten für solche Tests vom Staat übernommen oder teilweise übernommen werden sollten, gebe ich gerne zur Diskussion frei. 

Unterscheidung der Grenzwerte zwischen cannabishaltigen Lebensmitteln und Produkten zur Inhalation

Was mir noch wichtig ist, wäre eine Unterscheidung der Anforderungen an Cannabis-Genussmittel zur oralen und inhalativen Aufnahme. Denn die gesetzlich zulässigen Grenzwerte an Schwermetalle und andere Schadstoffe sind für Lebensmittel teilweise deutlich höher als für Produkte, die inhaliert werden. In diesem Aspekt sollte Cannabis natürlich gleich mit anderen Lebensmitteln gestellt sein.

Bei pflanzlichen Ausgangs-Materialien zur Herstellung von Edibles und anderen cannabishaltigen Lebensmitteln sollten meiner Ansicht nach deshalb die Regeln für Lebensmittelsicherheit gelten, unter die auch Tomaten oder Bier reguliert sind. Natürlich auch hier ganz wichtig, zusätzlich den Wirkstoffgehalt der Chargen entweder prozessual zu standardisieren oder chargenbezogen auszumessen, um den Konsumenten eine Indikation über die zu erwartende Wirkung des Produktes zu geben. 

Das waren mal meine Gedanken zur Thematik, doch jetzt seid ihr gefragt: Habt ihr Ideen, wie eine sinnvolle Qualitäts-Sicherung für Genussmittel-Cannabis aussehen kann? Schreibt es gerne in die Kommentare!