Cannabis – Einführung in Botanik, Verwendung und Gesellschaft
Cannabis ist eine der ältesten und Nutz-Pflanzen in den unterschiedlichsten Kulturen der Welt. Von China über Indien über Europa bis hin zum amerikanischen Kontinent hat sich die Heilpflanze in den letzten Jahrtausenden wie Unkraut verbreitet. Und obwohl die Qualität vieler Cannabisprodukte nicht im Entferntesten an Unkraut erinnert, ist der Vergleich doch sehr treffend. Denn die für ihre Fasern und heilenden Blüten geschätzte Pflanze gehört zu den robustesten und anpassungsfähigsten Kräutern unserer Welt. In Cannabis liegt eine Macht begründet, Menschen und Nationen zu beeinflussen. Die Pflanze kann heilen, ist ein tolles Baumaterial und ihre Samen sind das perfekte Superfood. Doch was steckt hinter der Pflanze, von der plötzlich alle reden?
Ein Essay über eine botanisch berauschende Königin.
Table of Contents
ToggleBotanisches Grundwissen über Cannabis
Was alle Cannabispflanzen gemeinsam haben, ist, dass sie einjährig sind. Darin unterscheiden sie sich beispielsweise von Bäumen, die jedes Jahr mit neuen Blättern sprießen. Cannabis entsteht jedes Jahr im Frühjahr aus neuen Samen, um im Herbst wieder abzusterben.
Allerdings schaffen Experten durch die Schaffung übernatürlicher Umstände auch die berühmte Ausnahme, die die Regel bestätigt – Cannabispflanzen, die über mehrere Jahre existieren. Bei der Vermehrung von Stecklingen und bei Bedingungen unter künstlichem Licht werden die Gesetze der Natur von Cannabis-Gärtnern weltweit schon lange ausgetrickst.
Ein weiteres Merkmal, das alle Cannabispflanzen teilen, ist die berühmte Blattform. Betrachtet man die Sprossachse von unten nach oben, beginnen die unteren Blätter mit nur einem oder wenigen „Fingern“ pro Blatt, während im mittleren Teil Blätter mit 5-11 Fingern überwiegen. Gegen Ende der Sprossachse gibt es wieder Blätter mit weniger Fingern. Die Finger haben immer gezahnte Kanten, sehen also ein bisschen aus wie Sägeblätter.
Cannabispflanzen sind normalerweise zweihäusig. Das heißt, es gibt sowohl rein männliche als auch rein weibliche Pflanzen. Die Männchen produzieren die Pollen, die Weibchen die zu befruchtenden Fruchtstempel (Stigma). Stress oder andere negative Umwelteinflüsse verursachen hin und wieder Hermaphroditen (Zwitter), was insbesondere für Indoor-Gärtnern zum Verhängnis wird.
Da Cannabispflanzen Harze produzieren, die aus begehrten Inhaltsstoffen wie CBD, THC und Terpenen bestehen, können sie nicht von Insekten bestäubt werden, da diese an den klebrigen Harzdrüsen kleben blieben. Durch diesen Schutzmechanismus sind Cannabispflanzen auf die reine Windbestäubung angewiesen, wobei die sogenannten „Trichome“ (Harzdrüsen) eine große Hilfe zum Auffangen der Pollen sind. Da männliche Pflanzen höher wachsen als weibliche Pflanzen, fällt der herabfallende Pollen auf die weiblichen Pflanzen, bleibt an den Stempeln haften und bildet mit Hilfe einer weiblichen Eizelle neues Leben in Form eines Samens.
Cannabis: Meisterin in Sachen Anpassungsfähigkeit
So wie es beim Menschen nicht nur weiße oder schwarze Individuen gibt, gibt es auch bei der Cannabispflanze unterschiedliche Wuchsformen. Dabei sollte jedoch explizit von Wuchsformen und nicht von Wirkarten gesprochen werden, denn für die Wirkung von Cannabis existiert die gleiche Kategorisierung, welche aber sehr irreführend ist, wie wir in diesem Artikel beleuchten.
Doch schauen wir uns die einzelnen Wuchsformen doch einmal genauer an. Sie werden unterteilt in Sativa, Indica und Ruderalis, basierend auf strukturellen Eigenschaften und individuellen Lichtreaktionen. All diese Wachstumsformen teilen die gleichen grundlegenden Eigenschaften von Cannabis. Die kleinen feinen Unterschiede stellen wir in den folgenden Absätzen vor.
Vor allem die Statur der Pflanzen unterscheidet sich stark, wenn man zwei Cannabispflanzen vergleicht, die in unterschiedlichen Klimazonen wachsen: Nimmt man eine Cannabispflanze aus dem tropischen Thailand und vergleicht sie mit einer Pflanze aus Hochnepal, fällt auf, dass der thailändische Vertreter deutlich höher wächst – Zeichen für eine Sativa. Sativas werden sehr hoch, bis zu fünf Meter, während Indicas manchmal nicht höher als 30 Zentimeter werden. Auf der anderen Seite wachsen Indicas in kalten Gegenden mit wenig Sonnenschein viel dichter oder buschiger als ihre Artgenossen in wärmeren Regionen. Während die Abstände zwischen den Seitentrieben bei Sativa-Wachstumsarten auf der Sprossachse sehr groß sein können, wachsen bei Indicas alle Zweige und Blätter sehr dicht beieinander.
Die Unterschiede der Cannabis-Phänotypen sind stets eine evolutionäre Anpassung an die jeweilige Umgebung.
Sativas für sonnige, feuchte Umgebungen
In heißen, sonnigen Lagen wachsen vornehmlich Pflanzen mit langen, dünnen Blattfingern, die eine relativ kleine Blattoberfläche haben. Warum? Die photosynthetisch aktiven Blätter müssen in sonnigen Lagen nicht um jeden Lichtblitz kämpfen, sondern vielmehr einen Schutz vor der Verdunstung wertvoller Wasserressourcen bieten, die über die Blätter erfolgt. Aufgrund ihrer nicht so dichten Blütenstrukturen wachsen Sativas auch in feuchtem Klima besser – denn somit ist die Schimmel-Gefahr geringer.
Indicas für kältere Klimazonen
Indicas hingegen haben andere Herausforderungen zu meistern, da sie in Klimazonen und Gebieten mit weniger Sonnenschein vorkommen. Daher bilden sie im Vergleich zu Sativa-Pflanzen dicke, kurze Blätter mit einer größeren Blattoberfläche, um das weniger reichlich vorhandene Sonnenlicht besser aufnehmen zu können.
Dazu kommt, dass Indicas aufgrund der niedrigeren Außentemperatur und der höheren Luftfeuchtigkeit in ihren natürlichen Habitaten keinen großen Schutz vor Verdunstung benötigen, weshalb die kompakte, dicke Blattform in diesem Fall perfekt ist.
Es gäbe an dieser Stelle noch zahlreiche weitere Unterschiede in der Konstruktion der verschiedenen Cannabis-Stämme aufzuzählen, doch am Ende folgen sie alle dem gleichen Prinzip: Wenn dir das Leben Zitronen gibt, dann hol Salz und Tequila. Die Cannabispflanze ist robust und scheut keine evolutionäre Herausforderung. Die Cannabispflanze hat in den letzten Jahrtausenden fast jedes Land zwischen Finnland und Chile erobert.
Überlebenskünstler Cannabis Ruderalis
Dementsprechend hat die Cannabispflanze auch in nördlichen Ländern einen Weg gefunden, um zu wachsen, wo die Sonnenstunden im Winter auf Null und im Sommer auf etwa 24 Stunden steigen. Die sogenannte Ruderalis unterscheidet sich von ihren Verwandten dadurch, dass sie unabhängig vom Lichtzyklus wachsen kann.
Während Cannabispflanzen normalerweise mit der Blüte beginnen, wenn die Tageslänge abnimmt und sich bei 14-12 Stunden einpendelt, beginnen Ruderalis-Pflanzen ungefähr einen Monat nach der Keimung zu blühen, unabhängig von den Tageslichtstunden. Dies hat den Vorteil, dass die Blüte im nasskalten Herbst nördlicher Hemisphären durch Schimmelbildung etc. nicht vorzeitig beendet werden muss. Zudem lassen sich mit Ruderalispflanzen in guten Jahren mehrere Ernten hintereinander erzielen.
Übrigens schwören viele Outdoor-Grower in Europa auf Ruderalis-Hybride. Unter dem bekannteren Oberbegriff Automatics oder Autoflowering werden sie von den meisten Samenbanken vertrieben und zeigen auch in Nordeuropa ihre Vorteile. (Achtung, der Anbau ist für die meisten Menschen in dieser Gegend strengstens verboten)
Apropos Samenbanken: Es gibt mittlerweile weit über tausend Cannabissorten und die schiere Zahl an Kreuzungsmöglichkeiten führt dazu, dass täglich neue Genetiken hinzukommen. Kreuzung und Züchtung findet auf der ganzen Welt statt – über die Grenzen der Illegalität hinaus.
Vielfältige Verwendung von Cannabis: Häuser, Flugzeuge, Naturkosmetik etc.
Die Hanfpflanze hat sich seit jeher einen Namen gemacht, nicht nur als Heilpflanze, sondern auch als Baustoff, zur Nahrungsergänzung oder zur Textilfaserherstellung. In Europa und der ganzen Welt wird das Potenzial der Cannabispflanze seit hundert Jahren mehr oder weniger systematisch unter dem Vorwand der Prohibition unterdrückt, aber in den letzten Jahren sind immer mehr Start-ups entstanden, die das Potenzial dieser kraftvollen Pflanze gezielt ausschöpfen: Hanfbekleidung, Hanfisolierung, Hanfhäuser, Hanfkosmetik oder sogar Hanf-Flugzeuge gibt es zu entdecken! Alles THC-frei und völlig legal.
Aber auch in Sachen gesunde Ernährung nimmt Hanf eine Spitzenposition ein. Hanfsamen enthalten jede Menge Antioxidantien, Vitamin E und B. Da Hanfsamen alle vom menschlichen Körper benötigten Aminosäuren enthalten, wirken sie sich sehr positiv auf den Stoffwechsel und die Entgiftung des Körpers aus. Auch Sportler wissen das Potenzial von Hanfsamen zu schätzen.
Hanf gibt es auch als gemahlenes Pulver für den Proteinshake – denn Hanfsamen sind sehr reich an pflanzlichen Proteinen! Vegane Zukunft voraus.
Hanffasern werden hauptsächlich zur Herstellung von Papier oder Textilien verwendet. Textilien, die aus Hanffasern hergestellt werden, wirken temperaturausgleichend – sie wärmen bei Kälte und kühlen bei Hitze. Auch Segel, Seile und die amerikanische Unabhängigkeitserklärung wurden aus Hanf gefertigt.
Cannabis als Medizin
Das herausragendste Potenzial von Cannabis liegt jedoch in seinen medizinischen Eigenschaften. Cannabis ist eine Heilpflanze, die gegen eine Vielzahl von Krankheiten wirksam eingesetzt werden kann. Es behandelt chronische Schmerzen ebenso wie Stresssymptome oder Hauterkrankungen. In den meisten Fällen handelt es sich um eine Stimulation des körpereigenen Belohnungssystems, des Cannabinoidsystems, das eng mit den Ursachen der zu behandelnden (chronischen) Krankheiten verknüpft ist.
Es ist wichtig, die verschiedenen Cannabinoide und Terpene zu kennen, da die richtige anwendungsbezogene Zusammensetzung von THC, CBD und anderen sekundären Inhaltsstoffen entscheidend für eine erfolgreiche Therapie ist. Um tiefer in diese Kategorisierungssache einzusteigen, haben wir diesen Artikel über die Chargenkategorisierung von Cannabis geschrieben.
Der Aspekt der Kategorisierung ist nicht zu unterschätzen, denn schon kleinste Abweichungen vom Krankheitsbild erfordern eine andere Indikation. Möchten Sie ein Beispiel? Wie aus diversen Aussagen bekannt, hilft CBD bei einigen Brustkrebsarten deutlich besser, während bei anderen Brustkrebsarten THC den Tumor besiegt. An dieser Stelle sei immer ein Arzt zu kontaktieren, der aufgeschlossen und im Bereich Cannabis geschult ist. Er kann den besten Rat geben und sollte immer vor und während einer Medikation mit Cannabis konsultiert werden.
Cannabis ist auf dem Vormarsch – endlich wieder alles normal?
Seit Jahrtausenden beschäftigen sich Lebewesen wie der Mensch, aber auch Delfine und Schimpansen mit bewusstseinserweiternden Substanzen. Ob Opium, Alkohol, Zauberpilze oder sogar Cannabis – bis vor hundert Jahren war der Konsum dieser Dinge zu Erholungs- oder medizinischen Zwecken kein Problem. Cannabis war fast auf der ganzen Welt integraler Bestandteil.
Erst mit der Opiumkrise zwischen Großbritannien und China und einer rassistisch motivierten und weltweit umgesetzten Verbotspolitik gegen Cannabis, die von den USA angeführt wurde, wurde Cannabis seither als illegal erklärt und gesellschaftlich ins Abseits gedrängt.
Seit einigen Jahren beruhigt sich das Problem jedoch. Seit 2012 haben sich mehrere Bundesstaaten der USA der Legalisierungsbewegung angeschlossen, die damals mit Washington State und Colorado begann. Inzwischen haben zwei ganze Nationen einen regulierten, legal zugänglichen Markt für Cannabis zum freien Konsum geöffnet. Einer davon ist ein Land der G7-Staaten und gehört zu den wichtigsten Wirtschaftsmächten der „westlichen“ Welt: Kanada. In den Niederlanden wird die Coffeeshop-Szene seit 50 Jahren geduldet, während es eine Cannabis Social Club Szene in Spanien gibt. Denn Menschen, die in Ländern wie Spanien leben, genießen gewisse Freiheiten, vor allem im privaten Bereich, wodurch dort Cannabis relativ straffrei angebaut, gehandelt und konsumiert wird.
In vielen Ländern der Dritten Welt reicht nach westlichen Maßstäben schon ein kleines Schmiergeld, um sich dem Konsum ohne Tadel widmen zu können, und auch in Deutschland machen wir seit 2017 mit der Verabschiedung des Cannabis-Arzneimittelgesetzes Fortschritte. Im Jahr 2019 war Thailand das erste Land in Südostasien, das einen Vorstoß wagte, indem es die medizinische Verwendung von Cannabis „als Geschenk an die Menschen“ legalisierte. Südafrika hat 2018 die Legalisierung erreicht und der Deutsche Hanfverband hat für seine Gerechtigkeitskampagne 2019 fast 100.000 Euro gesammelt. Oh richtig, Georgia hat Cannabis 2018 legalisiert. Sehen Sie, die Legalisierung findet gerade auf der ganzen Welt statt. Auch in Deutschland gibt es aufgrund der Umfragewerte der Grünen derzeit große Chancen auf eine Legalisierung.
Der Cannabispflanze steht eine glänzende Zukunft bevor. Ich wünsche ihr das Beste bei ihrem Comeback in die Menschheit – dass sie die Welt zu einem besseren Ort machen kann.